Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Und begrüße Sie ganz herzlich zu diesen Emerging Field Initiative Lectures,
der dritten Emerging Field Initiative Lecture zum Thema Pandoras Büchse, Bioobjekte und ihre
Herausforderungen für Wissenschaft und Kultur. Und die Idee dieser Lecture besteht darin, dass wir
eben auch interaktiv miteinander uns Gedanken darüber machen, wie die neueren Entwicklungen in
der Biotechnologie Auswirkungen haben auf unser Selbstverständnis als Mensch, auf unser Leben
miteinander und auch auf unser Zusammenleben mit der nichtmenschlichen Kreatur. Und dieses Thema,
nämlich wie der Mensch sich verhält zu der nichtmenschlichen Kreatur, hier insbesondere zu
den Tieren, das ist Thema der heutigen Emerging Field Initiative Lecture. Der Mensch als Chimäre,
die Herausforderung von Tier-Mischwesen durch die medizinische Biotechnologie. Und wie es in dieser
Lecture üblich ist, wird sie nicht einfach nur von einem Fachvertreter gehalten, sondern im
Gespräch zwischen einem Kultursozialgeisteswissenschaftler auf der einen Seite und einem
Naturwissenschaftler oder Mediziner oder Technikwissenschaftler auf der anderen Seite.
Und dass ich das alles drei, nämlich ein Mediziner, ein Naturwissenschaftler und ein
Technikwissenschaftler in einer Person heute an meiner Seite habe, ist eine besondere Freude.
Und ich freue mich, dass diese Lecture zusammen mit Herrn Professor Doktor Doktor Oliver Friedrich
durchgeführt wird. Und das Doktor Doktor erwähne ich in dem Fall deswegen, um eben zu signalisieren,
dass wir es hier mit jemandem zu tun haben, der eine doppelt, wenn nicht gar eine dreifach
Qualifikation hat. Insofern Herr Friedrich, der eben den Lehrstuhl für medizinische Biotechnologie
hier an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg-Inne hat, einerseits Medizin
studiert hat und andererseits eben auch Physik studiert hat, in beiden nicht nur Abschlüsse hat,
sondern eben auch Promotionen hat und seine Habilitation in Physiologie und Biophysik an
der Universität Heidelberg erhalten hat und nun eben seit 2010 den besagten Lehrstuhl innehat
an unserer Universität. Und ich freue mich, dass wir zusammen eben über dieses Thema Mensch, Tier,
Mischwesen nachdenken können und dann eben auch mit Ihnen zusammen. Es ist ein bekannter Satz,
dass in unserem Verhalten zu den Tieren wir auch immer zum Ausdruck bringen, wie wir uns eigentlich
zu uns selbst verhalten. Also im Verhalten zu den Tieren explizieren wir, wer wir sind und wie wir
uns verstehen. Das ist ein in Sonntagsreden gern bemühter Satz, aber wenn man ihn sich, und ich
zögere schon bei dem Bild, näher auf der Zunge zergehen lässt, dann wird man feststellen, dass
unser Verhältnis zu den Tieren doch hoch ambivalent ist. Zum einen verhetscheln wir eine bestimmte
Gruppe von Tieren, die wir identifiziert haben als unsere Haustiere in einem Maße, dass jedenfalls
diejenigen, die nicht gerade Herrchen oder Frauchen dieses Tieres sind, sich doch arg wundern und man
in der Tat den Eindruck hat, hier handelt es sich unmittelbar um einen Lebenspartner. Vielleicht,
warum auch nicht. Und zum anderen genießen wir in Hülle und Fülle, um nicht zu sagen millionenfach,
solche Tiere, von denen uns die entsprechenden Forschungen sagen, dass sie zumindestens auf dem
kognitiven Level gleichrangig, wenn nicht sogar höher einzustufen sind als diese Tiere, die wir
doch alle so verhetscheln. Gleichzeitig haben wir Millionen von Tieren allein hier in Deutschland
jährlich auch in der medizinischen und biologischen Versuchsanordnung. Von daher, wenn es so ist,
dass das Verhältnis des Menschen sich ausdrückt im Verhältnis zu den Tieren, dann wird man wohl
sagen müssen, dass wir ein sehr hoch ambivalentes Verhältnis zu uns haben. Und dieses Verhältnis
kann möglicherweise noch einmal dramatisch gesteigert werden, wenn wir eben feststellen,
und das ist in der Tat zunehmend der Fall, dass wir Tiermischwesen in der Forschung haben. Sie
sehen hier einige Überschriften, die dem medialen Interesse geschuldet eben auch entsprechend
genauso in leuchtenden Lettern daherkommen, wie der Inhalt der jeweiligen Überschrift,
Leuchten für die AIDS-Forschung, Mischwesen aus Ziege und Mensch geboren, die Angst vor der
Chimäre, Mensch-Kuh-Chimären genehmigt. So landen Frankensteins Fische auf dem Teller. Also wunderbar
zugespitzte Überschriften, die noch einmal deutlich machen, wie sehr auch die Präsentation
wissenschaftlicher Ergebnisse von der medialen Inszenierung abhängt und auch die mögliche
Skandalisierung wissenschaftlicher Versuche von dieser medialen Inszenierung abhängt. Das
Eigentümliche, warum diese Überschriften überhaupt wirken, besteht ja auch darin,
Presenters
Prof. Dr. Oliver Friedrich
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:47:03 Min
Aufnahmedatum
2012-07-11
Hochgeladen am
2013-03-13 13:42:23
Sprache
de-DE
Unser Verständnis der Welt ist geprägt von einer strikten Trennung von den Menschen auf der einen und den Tieren auf der anderen Seite. Eine solch strikte Trennung manifestiert sich unter anderem in den unterschiedlichen moralischen und rechtlichen Umgangsweisen zwischen Menschen und Tieren. Wird ein solches anthropozentrisches Welt- wie Selbstbild dabei in unterschiedlichen kulturellen Imaginationen verarbeitet und fiktional unterlaufen, sind angesichts neuster Entwicklungen in der medizinischen Biotechnologie die gezogenen Grenzen neu in Frage gestellt. Welcher Kategorie ist beispielsweise ein Mischwesen zuzuordnen, dessen Embryonalentwicklung durch die gezielte Verbindung von menschlichem und tierischem Material bestimmt wurde? Und welche Konsequenzen ergeben sich, so Nerven-Vorläuferzellen auf die Hirne von beispielsweise Primaten übertragen werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen sich der medizinische Biotechnologe Prof. Dr. Oliver Friedrich sowie der Ethiker Prof. Dr. Peter Dabrock in ihrer gemeinsamen Vorlesung „Der Mensch als Chimäre? Die Herausforderungen von Tier-Mensch-Mischwesen durch die medizinische Biologie“. Die Vorlesung war dabei Teil der „emerging fields lectures“ an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, im Rahmen derer das Projekt „Bio-Objects and Bio-Subjects. Exploring the Interface of Science, Technology and Society“ einen Einblick in seine Arbeit gab.
Zu jeder Auflösung existiert bei diesem Vortrag eine ungekürzte Fassung (Dauer 01:47 h) und die, auf BR-alpha ausgestrahlte, 30-minütige Sendung.